Ladenlokal von innen

Wenn Goldschmiede­kunst zum Lebenselixier wird

Wenn es ein Unternehmen seit 1933 gibt, dann hat es viel zu erzählen. Bolli kann ein Lied davon singen, auch wenn es der Gründervater Richard Bolli damals sicher nicht geahnt hatte, welch Geschichte seine Goldschmiede einst schreiben wird. Da galt es einen 2. Weltkrieg zu überstehen, das Atelier zu etablieren, im Edelsteinhandel Fuss zu fassen und all das Wissen und Geschick der nächsten Generation weiterzugeben. Doch bei allen Veränderungen, die das Unternehmertum geprägt haben, ist bei Bolli eines bis heute geblieben: Der gute Ruf für handgefertigte Unikate.

Wir schreiben das Jahr 1933, als Richard Bolli das Haus an der Multergasse 20 erwirbt. Es ist ein mutiger Schritt in einer dramatischen Zeit, die mit dem Beginn des Dritten Reichs die ganze Welt prägt. Doch die Liebe zur Goldschmiedekunst ist grösser als die Angst, zu scheitern. Voller Tatendrang kreiert er in seinem Atelier feinste Schmuckstücke, die in unvergleichlicher Art vom Ladentisch gehen. Und wie sagt man so schön: Das Leben schreibt die schönsten Geschichten. Mit Liebe und Laden fallen nämlich zwei Stichworte, die fortan die Geschichte von Bolli mitgestalten: Richard Bolli verliebt sich in Hedy Fritschi, die bei Bolli Verkäuferin lernt, und heiratet sie kurze Zeit später.

Herausfordernde Zeiten für Bollis

Alles läuft hervorragend, wäre da nicht der 2. Weltkrieg über das Land hereingebrochen. Statt um Geschäft und Handwerk dreht sich plötzlich alles um Aktivdienst und Fliegeralarm. Das Leben der Bollis wird auf eine harte Probe gestellt – wie bei vielen anderen auch. Doch das Ehepaar rappelt sich auf und wagt 1945 einen Neuanfang. Er ist mutig, zugleich wegweisend: Bollis erarbeiten sich einen Namen für handgefertigte Unikate und geben ihr Wissen an ihren Sohn Bruno weiter, der 1954 die Goldschmiedelehre absolviert. Kaum in die Fussstapfen des Vaters getreten, stirbt dieser mit nur 53 Jahren. Bruno Bolli übernimmt mit seiner Frau die Verantwortung und beweist, dass auch er einen ausgeprägten Geschäftssinn in sich trägt, denn er ergänzt das Sortiment mit handverlesenen Edelsteinen. Immer an der Seite des Ehepaares: Mutter Hedy Bolli-Fritschi, die mit erfrischender Vehemenz im Geschäft aktiv bleibt.

Bolli gehört zu den ältesten Unternehmen in einer der ältesten Gassen der Stadt St.Gallen.

Die neuen Familienmitglieder Simonin und Simon

1971 startet Daniel Simonin mit der Lehre als Verkäufer, schliesst sie erfolgreich ab, absolviert sogleich die Goldschmiedelehre und bildet sich zum Experten SGG für Edelsteine weiter. Simonin begleitet Bruno Bolli auf Edelstein-Reisen, beweist sich mit geschickten Händen und wachsamem Geist. Kurzum, seine Ambitionen und sein Talent sind Gold wert, da wundert es kaum, dass Daniel Simonin 1990 Teilhaber und Geschäftsleiter des Familienunternehmens wird. Dazu wird die Einzelfirma in eine Aktiengesellschaft gewandelt. Fünf Jahre später verstirbt Hedy Bolli-Fritschi in hohem Alter – ein schwacher Trost, wenn man sich von der Gründerseele verabschieden muss. Ihr Herzblut für die Goldschmiede lebt in der Firma weiter, allerdings holt sich Simonin eine neue Kraft an seine Seite und so wird sein langjähriger Freund Christian Simon seine rechte Hand. Die beiden verbindet nicht nur ein fast identischer Nachname, sondern vielmehr ihre Kompetenzen in Verkauf und Goldschmiede. Das geschäftstüchtige Duo treibt die Bolli-Ära voran: Simonin mit seinen fundierten Edelstein-Kenntnissen, Simon mit seinem Verkaufsflair.

In die Zukunft mit den «Davids»

Nach 47 Jahren ist die Arbeit für Daniel Simonin getan; er übergibt die Geschäftsführung 2018 an David Neuweiler und David Rust. Auch Christian Simon geht ein halbes Jahr später in die verdiente Pension. Die Zeit ist reif, eine neue Ära zu beginnen, und an einem neuen Ort lässt sich diese leichter starten. So ist die Multergasse 20 nach 88 Jahren Geschichte, um nur ein paar Häuser weiter an der Multergasse 6 weiterzugehen. In neuer Konstellation, mit frischen Ideen, veränderten Gesichtspunkten, aber mit demselben Ziel wie 1933: Bolli, ein Juwel für handgefertigte Unikate.